Diazeuxis bedeutet Abtrennung. Das Tetrachordum diezeugmenon ist vom Tetrachordum meson durch das Intervall der großen Sekunde abgetrennt (also: disjunkt). Damit ist die antike dorische Oktavspezies zwar – naturgegeben – eine akustische Entität, in der tonraumbezogenen Imagination aber zugleich auch ein zusammengesetztes, duales Gebilde. Beide Tetrachorde sind in ihrer Intervallstruktur identisch, man könnte sie in diesem Zusammenhang vielleicht etwas anachronistisch, aber gleichzeitig ohne Bedenken dem Typus »la – sol – fa – mi« zuordnen (das Tetrachord mit dem Halbton unten). Denn genau dieses Procedere war ja bekanntlich späteren – das heißt post-guidonischen – Zeiten vorbehalten.
In diesem Zusammenhang ist die Tatsache interessant , dass in der andalusischen Flamencomusik die (modern gesehen) abwärts laufende phrygische Tonleiter bis zum heutigen Tag in traditionsbewussten Kreisen als »Modo dorico« bezeichnet wird. [16]Graf-Martinez Gerhard: Flamenco Gitarrenschule. Band 2. Verlag B. Schott, Mainz 1994. S. 115ff
In nachstehender Skizze ist das antike Dorisch im Systema teleion ametabolon als Kern des Systems mit jeweils oben bzw. unten angehängten konjunkten Tetrachorden dargestellt.